BGH: Mieter muss Marktmiete zahlen!
WBG Leipzig-West AG: Geringe Quote im Insolvenzverfahren!
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Mietrecht:
Der BGH hat entschieden, dass Vermieter nach abgelaufener Frist die ortsübliche Miete ansetzen dürfen, wenn die Mieter trotz Kündigung die Wohnung nicht zurückgeben (Urteil vom 18.01.2017, Az. VIII ZR 17/16).
Die Beklagten waren seit 1993 Mieter eines in München gelegenen Einfamilienhauses der Kläger mit einer Wohnfläche von 105 m². Das Mietverhältnis endete durch eine zum 30.10.2011 erklärte Eigenbedarfskündigung der Kläger. Zum 15.4.2013 gaben die Beklagten die Mietsache zurück. Bis dahin entrichteten sie die vertraglich geschuldete Miete in Höhe von monatlich 944,52 € nebst 102,39 € Heizkostenvorauszahlung.
Die Kläger verlangten eine weitergehende Nutzungsentschädigung nach Maßgabe der für das Mietobjekt ortsüblichen Neuvertragsmiete. Die Klage hatte - nach Einholung eines Sachverständigengutachtens durch das Amtsgericht - in den Vorinstanzen in Höhe von 7.300,37 € nebst Zinsen Erfolg gehabt. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgen die Beklagten ihren Klageabweisungsantrag weiter.
Der Bundesgerichtshof (BGH) entschied:
Die für vergleichbare Sachen ortsübliche Miete, die der Vermieter gemäß § 546a Abs. 1 Alt. 2 BGB für die Dauer der Vorenthaltung der Mietsache verlangen kann, wenn der Mieter diese nach Beendigung des Mietverhältnisses nicht zurückgibt, ist bei beendeten Wohnraummietverträgen nicht nach Maßgabe der auf laufende Mietverhältnisse zugeschnittenen Regelung über Mieterhöhungen bis zur ortsüblichen Vergleichsmiete (§ 558 Abs. 2 BGB), sondern anhand der bei Neuabschluss eines Mietvertrages über die Wohnung ortsüblichen Miete (Marktmiete) zu bestimmen.
Das Berufungsgericht (Landgericht München I, 27.1.2016, Az. 15 S 8361/15) führte aus:
Gemäß § 546a Abs. 1 Alt. 2 BGB könne der Vermieter bei verspäteter Rückgabe der Mietsache für die Dauer der Vorenthaltung die für vergleichbare Sachen ortsübliche Miete verlangen. Die Nutzungsentschädigung sei anhand des üblichen Neuvermietungspreises zu bemessen. Anders als bei § 558 Abs. 2 Satz 1 BGB seien die in den letzten vier Jahren vereinbarten oder geänderten Mieten nicht einzubeziehen. Dies folge schon daraus, dass § 546a BGB eine Bestimmung des allgemeinen Mietrechts sei und auch Mietverhältnisse über bewegliche Sachen erfasse, während § 558 BGB nur für Mietverhältnisse über Wohnraum gelte.
Sinn und Zweck des § 546a Abs. 1 Alt. 2 BGB sei es zudem, den Vermieter von einer ihm günstigen Preisentwicklung am Markt profitieren zu lassen. Dem widerspräche es, auch die in den letzten vier Jahren vereinbarten oder geänderten Mieten heranzuziehen. Nach der Zielsetzung des Gesetzgebers, die in den Gesetzesmaterialien zum Ausdruck gekommen sei, sei es nicht gerechtfertigt, den Vermieter über einen nicht selten langen Zeitraum auf eine nicht mehr angemessene, niedrige Nutzungsentschädigung zu verweisen.
Dem stehe nicht entgegen, dass der Mietvertrag hier wegen Eigenbedarfs gekündigt worden und der Wohnraum nach dem Auszug der Beklagten grundlegend renoviert worden sei, so dass er dem Markt nicht zur Verfügung gestanden habe. § 546a BGB diene gerade dazu, Druck auf den Mieter auszuüben, um die Mietsache zurückzugeben. Für die Höhe der Nutzungsentschädigung komme es daher nicht darauf an, ob der Vermieter eine Neuvermietung beabsichtige.
Diese Beurteilung sei zutreffend, so der BGH. Die Kläger können wegen der Vorenthaltung der Mietsache als Nutzungsentschädigung nicht nur die von den Beklagten entrichtete vereinbarte Miete (§ 546a Abs. 1 Alt. 1 BGB), sondern weitergehend auch die für vergleichbare Objekte ortsübliche Miete (§ 546a Abs. 1 Alt. 2 BGB) verlangen. Rechtsfehlerfrei habe das Berufungsgericht den Anspruch der Kläger aus § 546a Abs. 1 Alt. 2 BGB anhand der bei Neuabschluss eines Mietvertrages ortsüblichen Miete (Marktmiete), nicht hingegen nach Maßgabe der ortsüblichen Vergleichsmiete (§ 558 Abs. 2 BGB) bestimmt. Entgegen der Ansicht der Revision hat das Berufungsgericht – so der BGH – die in den letzten vier Jahren vereinbarten oder geänderten Mieten (§ 558 Abs. 2 Satz 1 BGB) bei der Bemessung des Anspruchsumfangs zu Recht außer Betracht gelassen. Der in einem laufenden Mietverhältnis über Wohnraum für Mieterhöhungen bis zur ortsüblichen Vergleichsmiete gesetzlich vorgegebene Bezugszeitraum von vier Jahren ist für den Anspruch des Vermieters auf Nutzungsentschädigung bei verspäteter Rückgabe der Mietsache nach Beendigung des Mietverhältnisses gemäß § 546a Abs. 1 Alt. 2 BGB nicht maßgeblich. Das gilt auch dann, wenn der Vermieter keine Neuvermietung beabsichtigt, sondern die Mietsache - wie im Fall der hier erklärten Eigenbedarfskündigung - selbst nutzen will. Der Anspruch auf eine Nutzungsentschädigung bestehe bereits nach dem Gesetzeswortlaut unabhängig davon, ob der Vermieter die Mietsache nach ihrer Rückgabe erneut vermieten oder sie - wie in dem hier gegebenen Fall der Eigenbedarfskündigung - selbst nutzen will. Der Vermieter, dem nach Beendigung des Mietverhältnisses Räume vorenthalten werden, hat von vornherein einen Anspruch auf eine Nutzungsentschädigung in Höhe der vereinbarten oder, sofern diese höher ist, der ortsüblichen Miete, der auch ohne vorherige Ankündigung rückwirkend geltend gemacht werden kann.
Auswirkungen für die Praxis: Die Entscheidung bringt vom Grundsatz her insbesondere Klarheit über die Bemessung der Nutzungsentschädigung, deren Höhe nicht davon abhängig ist, ob der Vermieter nach der Herausgabe der Wohnung eine Neuvermietung oder eine Eigennutzung beabsichtigt. Für den Vermieter dürfte es ratsam sein, sich über die ortsübliche Marktmiete für eine Neuvermietung des Mietobjekts zu informieren und den Mieter auf entsprechende Forderungen im Fall der verspäteten Rückgabe der Wohnung hinzuweisen. Für die Geltendmachung der höheren „Neuvertragsmiete“ anstatt der bisherigen Vertragsmiete ist keine Willenserklärung des Vermieters erforderlich (BGH, Urt. v. 14.07.1999 - XII ZR 215/97 - BGHZ 142, 186, 189). Der Vermieter kann deshalb den Anspruch auch rückwirkend zumindest im Rahmen der dreijährigen Verjährungsfrist geltend machen.
Insolvenzverfahren über das Vermögen der Wohnungsbaugesellschaft Leipzig-West AG:
Der Insolvenzverwalter geht davon aus, dass der Schlussbericht 2018 erstellt werden kann. Die Vermögenswerte der WBG sind im Wesentlichen verwertet. Die Quote soll jedoch – entgegen früheren Einschätzungen – 2% nicht übersteigen. Das ist sehr enttäuschend, auch wenn man bedenkt, wie lange das Verfahren dann gedauert hat.