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V e r m i t t l e r - und V e r t r i e b s r e c h t

 Das Vertriebsrecht ist das Recht der Absatzmittlung von Waren und Dienstleistungen. Es umfasst insbesondere die Rechtsverhältnisse zwischen dem Unternehmer und dem Handelsvertreter oder Makler und zwischen Versicherung und dem Versicherungsvertreter oder dem Versicherungsmakler.

Hinsichtlich des Handelsvertreterrecht enthalten die §§ 84 bis 92 c HGB gesetzliche Regelungen. Hier geht es um das die Rechtsverhältnisse zwischen Handelsvertretern und den Unternehmern, für die sie tätig sind. Handelsvertreter ist, wer als selbständiger Gewerbetreibender ständig damit betraut ist, für einen anderen Unternehmer Geschäfte zu vermitteln oder in dessen Namen abzuschließen. Selbständig ist, wer im wesentlichen frei seine Tätigkeit gestalten und seine Arbeitszeit bestimmen kann (§ 84 Abs. HGB).

Versicherungsvertreter ist, wer als Handelsvertreter damit betraut ist, Versicherungsverträge zu vermitteln oder abzuschließen (§ 92 Abs. 1 HGB). Für das Vertragsverhältnis zwischen dem Versicherungsvertreter und dem Versicherer gelten die Vorschriften für das Vertragsverhältnis zwischen dem Handelsvertreter und dem Unternehmer mit einigen Besonderheiten (§ 92 Abs. 2, 3 und 4 HGB).

Ein Versicherungsmakler (Handelsmakler nach § 93 HGB), der Versicherungsverträge vermittelt, steht im Lager des Versicherungsnehmers und hat als „treuhänderähnlicher Sachwalter“ dessen Interessen zu vertreten. Der Versicherungsmakler hat gegenüber dem Versicherungsnehmer, seinem Kunden, in der Regel umfassendere Pflichten als der Versicherungsvertreter, der auf Seiten des Versicherers steht. Das Maklerrecht, zu dem auch das Versicherungsmaklerrecht zählt, ist insbesondere in den §§ 93 – 104 HGB geregelt. Daneben wird das Versicherungsmaklerrecht u.a. durch das Versicherungsvertragsgesetz (VVG) bestimmt. Für eine schuldhafte Verletzung seiner Pflichten haftet der Versicherungsmakler gegenüber dem Versicherungsnehmer, der ihn in der Regel auch beauftragt hat. Die Courtage erhält der Versicherungsmakler dagegen regelmäßig vom Versicherer.

Der Versicherungsmakler steht zwar grundsätzlich im Lager des Versicherungsnehmers, es gibt aber Fälle, in denen eine Pflichtverletzung des Versicherungsmaklers dem Versicherer zugerechnet wird.

So hat der Bundesgerichtshof (BGH) ausgeführt (Beschluss vom 26.9.2012, Aktenzeichen: BGH IV ZR 71/11):

" Auch wenn ein Versicherungsmakler grundsätzlich die Interessen des Versicherten und nicht diejenigen des Versicherers wahrnimmt, muss sich ein Versicherer das Verhalten und die Erklärungen rechtlich selbstständiger Vermittler und von diesen eingesetzter Untervermittler zurechnen lassen, soweit die Lebensversicherung unter Verzicht auf ein eigenes Vertriebssystem ausschließlich über diese Vermittler vertrieben wird (Festhaltung BGH, 11. Juli 2012, IV ZR 164/11, NJW 2012, 3647). "

Vermittler und Anlageberater sehen sich häufig Ansprüchen ihrer Kunden ausgesetzt, wenn eine Kapitalanlage nicht die Erwartungen des Kunden erfüllt oder der Kunde sogar einen Totalverlust erleidet. Diese Ansprüche sind häufig berechtigt, manchmal aber auch nicht. Die KANZLEI DR. ROHDE vertritt sowohl Anleger als auch Vermittler / Anlageberater.

Nach der Rechtsprechung des BGH zur Abgrenzung von Anlagevermittlung und Anlageberatung liegt regelmäßig eine Anlageberatung vor, wenn der Kapitalanleger selbst keine ausreichenden wirtschaftlichen Kenntnisse und keinen genügenden Überblick über wirtschaftliche Zusammenhänge hat und deshalb von seinem Vertragspartner nicht nur die Mitteilung von Tatsachen, sondern insbesondere deren - häufig auf seine persönlichen Verhältnisse zugeschnittene - fachkundige Bewertung und Beurteilung erwartet, die er, der Kapitalanleger, auch besonders honoriert. Demgegenüber hat - bei der Anlagevermittlung - der Anlagevermittler in der Regel für eine bestimmte Kapitalanlage im Interesse des Kapitalsuchenden und auch mit Rücksicht auf eine ihm von diesem versprochene Provision den Vertrieb übernommen, wobei der Kapitalanleger von dem Anlagevermittler in erster Linie eine Auskunftserteilung über die tatsächlichen Umstände der ins Auge gefassten Anlageform erwartet (BGH, Urteil vom 15. Mai 2012, Aktenzeichen: BGH VI ZR 166/11).

Von besonderer Bedeutung ist, wenn ein Prospekt existiert. Ein Anlagevermittler kann die ihm obliegende Aufklärungspflicht durch die rechtzeitige Übergabe des Anlageprospektes erfüllen.

Nach der Rechtsprechung des BGH (siehe nur Beschluss vom 23.09.2014, Aktenzeichen: BGH II ZR 317/13) muss einem Anleger für seine Beitrittsentscheidung ein richtiges Bild über das Beteiligungsobjekt vermittelt werden, er muss über alle Umstände, die für seine Anlageentscheidung von wesentlicher Bedeutung sind oder sein können, insbesondere über die mit der angebotenen speziellen Beteiligungsform verbundenen Nachteile und Risiken zutreffend, verständlich und vollständig aufgeklärt werden. Wird dem Anlageinteressenten statt einer rein mündlichen Aufklärung im Rahmen des Vertragsanbahnungsgesprächs ein Prospekt über die Kapitalanlage überreicht, kann das als Mittel der Aufklärung genügen. Dann muss der Prospekt aber nach Form und Inhalt geeignet sein, die nötigen Informationen wahrheitsgemäß und verständlich zu vermitteln. Außerdem muss er dem Anlageinteressenten so rechtzeitig vor Vertragsschluss überlassen werden, dass sein Inhalt noch zur Kenntnis genommen werden kann. Wird der Prospekt nicht vor der Zeichnung übergeben, erfolgt die Vermittlung aber auf Grundlage des Prospekt, gilt nichts anderes, da sich etwaige Prospektmängel in das Beratungsgespräch hinein fortsetzen und genauso wirken, wie wenn dem Anleger der Prospekt rechtzeitig übergeben worden wäre und er kein Gespräch mit dem Anlagevermittler geführt, sondern sich alleine aus dem Prospekt informiert hätte. Für die Beurteilung, ob ein Prospekt unrichtig oder unvollständig ist, ist nicht isoliert auf eine bestimmte Formulierung, sondern auf das Gesamtbild abzustellen, das er dem Anleger unter Berücksichtigung der von ihm zu fordernden sorgfältigen und eingehenden Lektüre vermittelt.

Dabei begründet nicht schon jede unrichtige oder fehlende Angabe im Prospekt die Haftung des Vertragspartners. In einem die Haftung ausschließenden Sinne richtig und vollständig müssen die Angaben sein, die für die Anlageentscheidung erheblich sind. Der Anleger darf erwarten, dass er ein zutreffendes Bild über das Beteiligungsobjekt erhält, d.h., dass der Prospekt ihn über alle Umstände, die für seine Entschließung von wesentlicher Bedeutung sind oder sein können, sachlich richtig und vollständig unterrichtet, insbesondere über die Tatsachen, die den Vertragszweck vereiteln können (vgl. BGH, Urteil vom 21.10.1991, Aktenzeichen: BGH II ZR 204/90). Für die Beurteilung, ob ein Prospekt unrichtig oder unvollständig ist, ist auf das Gesamtbild abzustellen, das er dem Anleger vermittelt (vgl. BGH Urteil vom 31.05.2010, Aktenzeichen: BGH II ZR 30/09).

Nach der obergerichtlichen Rechtsprechung ist ein Anlagevermittler jedoch im Rahmen eines Auskunftsvertrags zu richtiger und vollständiger Information über alle tatsächlichen Umstände verpflichtet, die für den Anlageentschluss von besonderer Bedeutung sind. Vertreibt er die Anlage anhand eines Prospektes, gehört dazu vor allem, dass er das Anlagekonzept und sonstige Angaben des Prospektes auf "Plausibilität" hin überprüft. Im Rahmen dieser Prüfung muss er in den Blick nehmen, ob das Anlagekonzept wirtschaftlich tragfähig ist und ob der Prospektes ein in sich schlüssiges Gesamtbild über das Beteiligungsprojekt gibt (vgl. BGH, Urteil vom 13. Januar 2000, Aktenzeichen: BGH III ZR 62/99). Die Plausibilitätsprüfung kann auch in gewissem Umfang Ermittlungspflichten einschließen, wenn es um Umstände geht, die nach den vorauszusetzenden Kenntnissen des Anlagevermittlers Zweifel an der inneren Schlüssigkeit einer mitgeteilten Tatsache zu begründen vermögen. Andererseits dürfen an die Pflichten eines Anlagevermittlers keine übertriebenen Anforderungen gestellt werden; der mit der notwendigen Überprüfung verbundene Aufwand muss ihm zumutbar sein. Wo die Grenzen einer Ermittlungspflicht im einzelnen Fall zu ziehen sind, wird weitgehend davon abhängen, welche Informationen der Anleger konkret abfragt und welches Vertrauen der Vermittler in Anspruch nimmt. Einer Überforderung kann der Vermittler im Übrigen dadurch begegnen, dass er wahrheitsgemäß unzureichende Kenntnisse offen legt (BGH, Beschluss vom 21. Mai 2008, Aktenzeichen: BGH III ZR 230/07).

Eine für Kapitalanlagevermittler wichtige Entscheidung hat der Bundesgerichtshof (BGH) kürzlich (Urteil vom 30.3.2017, Aktenzeichen: III ZR 139/15) gefällt.

Nicht neu und überraschend ist, dass ein Kapitalanlagevermittler das Anlagekonzept, bezüglich dessen er die entsprechenden Auskünfte erteilt, zumindest auf seine wirtschaftliche Tragfähigkeit hin überprüfen muss. Zudem muss der Vermittler, wenn er die Anlage anhand eines Prospekts vertreibt, seiner Auskunftspflicht nachkommen und im Rahmen der geschuldeten Plausibilitätsprüfung den Prospekt darauf überprüfen, ob er ein schlüssiges Gesamtbild über das Beteiligungsobjekt gibt und ob die darin enthaltenen Informationen sachlich richtig und vollständig sind. Unterlässt er diese Prüfung, hat er den Interessenten darauf hinzuweisen.

Eine unterlassene oder unzureichende Plausibilitätsprüfung der empfohlenen Kapitalanlage führt jedoch nur dann zu einer Haftung des Vermittlers (so der BGH), wenn die vorzunehmende Prüfung Anlass zu Beanstandungen gegeben hätte, etwa, weil ein Risiko erkennbar geworden wäre, über das der Anleger hätte aufgeklärt werden müssen, oder, weil die Empfehlung der Anlage nicht anleger- und/oder objektgerecht gewesen ist.

Es sei festzustellen, ob eine (hypothetische) Untersuchung des Anlagekonzepts und der dazu gehörigen Unterlagen auf Plausibilität durch den Anlagevermittler Anlass zu Beanstandungen gegeben hätte oder ihr in den für die Anlageentscheidung wesentlichen Punkten standgehalten hätte. Ob eine zum Schadensersatz führende Pflichtverletzung vorliegt, kann deshalb – so der BGH – nicht beurteilt werden, wenn nicht zuvor festgestellt wird, dass es an der notwendigen Plausibilität fehlt und woraus sich dies ergibt.

Weiter: Der Anleger trägt die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass die vermittelte Anlage aufklärungsbedürftige Plausibilitätsdefizite aufwies.

Dies wird häufig nicht beachtet. Auch die Vorinstanz sah dies anders. Der BGH hob deren Entscheidung auf.

Allein die Unterlassung der gebotenen Plausibilitätsprüfung und die fehlende Aufklärung hierüber sind für die Begründetheit des geltend gemachten Schadensersatzanspruchs nicht ausreichend. Ist die notwendige Plausibilität der Anlage vorhanden gewesen, kann sich der Anleger nicht darauf berufen, allein das Fehlen der notwendigen Überprüfung und eines Hinweises darauf sei maßgeblich und ausreichend, um gegen den Vermittler vorgehen zu können.

§ 2 Abs. 10 Kreditwesengesetz (KWG) erlaubt es selbständigen Anlagevermittlern und -beratern, sich als vertraglich gebundene Vermittler einem „Haftungsdach“ anzuschließen. Die Tätigkeit des vertraglich gebundenen Vermittlers wird dem haftenden Unternehmen zugerechnet. Diese gebundenen Vermittler („tied agents“) können damit Finanzdienstleistungen erbringen, für die sie selber keine Erlaubnis nach dem KWG haben. Ein weiterer – ganz gravierender – Vorteil liegt darin, dass vertraglich gebundene Vermittler, wenn sie alles richtig machen, nicht Haftungsadressat bei einer möglichen Falschberatung sind, sondern das Haftungsdach. Als Gegenleistung geben die gebundenen Vermittler üblicherweise einen Teil ihrer Provisionen an das als Haftungsdach auftretende Wertpapierhandelsunternehmen ab. Die KANZLEI DR. ROHDE verfügt über ganz erhebliche Erfahrungen mit dieser Fallgestaltung.

Ein vertraglich gebundener Vermittler kann gleichwohl in die persönliche Haftung geraten, vor allem wenn er mit der Beratung beginnt, bevor er deutlich gemacht hat, dass er für das haftende Unternehmen auftritt, oder wenn er besonderes persönliches Vertrauen in Anspruch genommen hat.

Hat er alles richtig gemacht (und hat er die Offenlegung der Stellvertretung auch dokumentiert), werden Schadenersatzklagen gegen ihn scheitern. Dann hat man den Falschen verklagt. Diese Erfahrungen mussten zuletzt Anleger machen, die Vermittler der Infinus AG Finanzdienstleistungsinstitut aus Freital in Sachsen verklagt hatten. (Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht, Beschluss vom 9.3.2015, Az. 5 U 203/14). Nicht zu unterschätzen ist jedoch das Risiko einer Haftung des Beratenden als Vertreter ohne Vertretungsmacht.

Soweit Beratungsbedarf besteht oder Sie außergerichtlich oder gerichtlich anwaltlichen Beistand benötigen, können Sie sich an die KANZLEI DR. ROHDE wenden. Rechtsanwalt Dr. jur. Andreas Rohde ist Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht und Mitglied der Arbeitsgemeinschaft Bank- und Kapitalmarktrecht im Deutschen Anwaltverein (DAV).

 

ARGE Bank- und Kapitalmarktrecht

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