Zinsanpassungsklauseln vielfach unwirksam!
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Prämiensparverträge: BaFin ruft Sparer zu Überprüfung auf!
Bundesanstalt für Verbraucherschutz (BaFin): 02.12.2020 | Thema Verbraucherschutz
Pressemitteilung
Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) empfiehlt Verbrauchern, ihre Prämiensparverträge sorgfältig zu überprüfen. Viele ältere Verträge enthalten Zinsanpassungsklauseln, mit denen Kreditinstitute die zugesicherte Verzinsung einseitig abändern könnten. Diese Klauseln sind laut Bundesgerichtshof (BGH) seit 2004 unwirksam.
Wichtig ist, dass betroffene Sparer jetzt selbst aktiv auf ihre Institute zugehen und sich erläutern lassen, welche Klausel ihr Vertrag ganz konkret enthält,
macht BaFin-Vizepräsidentin Elisabeth Roegele deutlich. Der nächste Schritt müsse dann sein, zu prüfen, ob diese rechtskonform sei. Bei Fragen zur Geltendmachung zivilrechtlicher Ansprüche oder zur Unterbrechung etwaiger Verjährungsfristen rät Roegele zudem, sich bei Bedarf an eine Verbraucherzentrale oder auch einen Rechtsanwalt zu wenden. Betroffen seien insbesondere langfristig variabel verzinste Sparverträge aus 2004 und früher. Ein Runder Tisch, den die BaFin zum Thema Prämiensparen Ende November 2020 unter anderem mit den Verbänden der Kreditwirtschaft und Verbraucherschutzorganisationen einberufen hatte, habe leider keine kundengerechten Lösungen gebracht. Neben ihrem Verbraucheraufruf prüfe die Finanzaufsicht deshalb jetzt auch konkrete verwaltungsrechtliche Optionen, mit denen das Ziel ausreichender Kundeninformation erreicht werden kann. Bereits im Februar 2020 (BaFinJournal) hatte sie die Banken aufgefordert, auf die betroffenen langjährigen Kunden zuzugehen und ihnen eine Lösung anzubieten.
Prämiensparverträge
Ein Prämiensparvertrag ist eine langfristige Sparform mit variabler Verzinsung und gleichbleibender Sparleistung. Kunden erhalten zusätzlich zum Zins eine Prämie, die meist nach der Vertragslaufzeit gestaffelt ist. Viele Kreditinstitute verwendeten in ihren Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) Zinsanpassungsklauseln, die ihnen einräumten, über Änderungen der vertraglich vorgesehenen Verzinsung mit unbegrenzt einseitigen Ermessensspielräumen zu entscheiden. Diese Praxis erklärte der BGH 2004 für unwirksam und äußerte sich auch in späteren Entscheidungen in 2010 und 2017 zu den Anforderungen an solche Klauseln. Dennoch bestehen weiterhin Unsicherheiten, wie Kreditinstitute mit den Anforderungen der BGH-Rechtsprechung umzugehen haben. Hinweise dazu liefert ein Urteil, welches das Oberlandesgericht (OLG) Dresden im April 2020 auf die Musterfeststellungsklage der Verbraucherzentrale Sachsen getroffen hat. Es stellt etwa klar, dass die Verzinsung sich an einem angemessenen, langfristigen, öffentlich zugänglichen Referenzzinssatz orientieren muss und monatlich anzupassen ist. Als angemessen sieht das OLG Dresden beispielsweise die 9- bis 10-jährige Zeitreihe der Deutschen Bundesbank WX 4260 (damalige Bezeichnung) an. Die Entscheidung ist bislang nicht rechtskräftig; es wurde Revision beim Bundesgerichtshof eingelegt. Weitere Musterfeststellungsklagen sind anhängig.
Kontakt: Anja Schuchhardt
Pressesprecherin Wertpapieraufsicht/Asset-Management
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Neue Meldung:
Musterfeststellungsklage der Verbraucherzentrale Sachsen e.V. ./. Stadt- und Kreissparkasse Leipzig
OLG Dresden, Urteil vom 22.4.2020 (Az. 5 MK 1/19): Urteil im Musterfestellungsklageverfahren der Verbraucherzentrale Sachsen e.V. ./. Stadt- und Kreissparkasse Leipzig!
Zinsanpassungsklauseln unwirksam!
Der 5. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Dresden (OLG), Aktenzeichen 5 MK 1/19, hat am 22.4.2020 über die Musterfeststellungsklage, die die Verbraucherzentrale Sachsen gegen die Stadt- und Kreissparkasse Leipzig eingereicht hat, entschieden.
Die Verbraucherzentrale Sachsen begehrte mit der Klage die Feststellung der tatsächlichen und rechtlichen Voraussetzungen der Zinsberechnung bei von der Sparkasse ausgereichten Sparverträgen "S-Prämiensparen flexibel". Nach Ansicht der Verbraucherzentrale hat die Sparkasse die Zinsen aus Sparverträgen bisher falsch berechnet. Das OLG hat diese Ansicht im Wesentlichen bestätigt. Auch der 5. Zivilsenat geht davon aus, dass die Zinsanpassungsklausel unwirksam ist. Weiter wurde die Auffassung der Verbraucherzentrale Sachsen, dass die Verjährung erst mit der Beendigung des Sparvertrages beginnt, bestätigt. Diese zugunsten der Sparer beantwortete Rechtsfrage hat erhebliche Bedeutung, da die behauptete Verjährung von Zinsnachzahlungsansprüchen das Hauptargument der Sparkassen zur Verweigerung der Ansprüche darstellte; auch die Schlichtungsstelle des Sparkassen- und Giroverband e. V. neigte dieser Auffassung zu.
Wenn Sie in einen solchen Sparvertrag eingezahlt haben, steht Ihnen möglicherweise eine recht hohe Zinsnachzahlung zu. Es geht hier durchaus um Tausende von Euro, die Ihnen zustehen können. Der KANZLEI DR. ROHDE ist die Problematik bestens bekannt. Lassen Sie sich beraten! Dies insbesondere, wenn Sie Kunde der Berliner Sparkasse waren oder noch sind und einen vergleichbaren Sparvertrag abgeschlossen haben.
Frühere Meldung:
Viele (Prämien-)Sparverträge von Sparkassen enthalten unzulässige Zinsanpassungsklauseln. Die KANZLEI DR. ROHDE empfiehlt, diese Verträge überprüfen zu lassen.
Es besteht eine hohe Wahrscheinlichkeit dafür, dass zu wenig Zinsen gezahlt wurden. Es geht hier vor allem um langfristige Sparverträge, die in den 1990er und 2000er Jahren angeboten worden sind - und es geht auch um viel Geld.
Die Verzinsung dieser Verträge setzt sich meist aus zwei Komponenten zusammen, nämlich einem variablen Zins und einer Prämie (Bonus), deren Höhe von der Laufzeit des Sparvertrages abhängig ist.
Es geht um den variablen Zins, mit dem das Guthaben jährlich verzinst werden soll. Dieser Zins orientiert sich an der allgemeinen Zinsentwicklung. Erforderlich ist also eine vertragliche Regelung, die die Zinsanpassung erlaubt.
Und hier liegt das Problem: In vielen dieser Verträge finden sich intransparente Zinsanpassungsklauseln, die den Sparer benachteiligen. Die Folge ist: Der Sparer erhält eine zu niedrige Verzinsung.
Der Bundesgerichtshof hat sich bereits mehrfach mit solchen Zinsanpassungsklauseln befasst:
In seinem Urteil vom 17. Februar 2004, Az. XI ZR 140/03, hat der Bundesgerichtshof (BGH) entschieden: Bei langfristig angelegten Sparverträgen ist eine formularmäßige Zinsänderungsklausel, die dem Kreditinstitut eine inhaltlich unbegrenzte Zinsänderungsbefugnis einräumt, unwirksam.
Die beanstandete Klausel lautete: "Die Sparkasse zahlt am Ende eines Kalenderjahres den im Jahresverlauf durch Aushang bekanntgegebenen Zins für das Combispar-Guthaben".
Dem Urteil des BGH vom 21. Dezember 2010, Az. XI ZR 52/08, lag folgende Klausel zugrunde:
"Die Bank vergütet dem Sparkontoinhaber im Rahmen der geltenden Bestimmungen die von ihr jeweils durch Aushang im Kassenraum der kontoführenden Stelle bekannt gegebenen Zinsen. Eine Änderung des Zinssatzes tritt auch für bestehende Sparguthaben ohne besondere Mitteilung mit dem Tage in Kraft, der durch Aushang im Kassenraum bekannt gegeben wird."
In seinem Urteil vom 13. April 2010, Az. XI ZR 197/09, beanstandete der BGH folgende Klausel:
„Die Sparkasse zahlt neben dem jeweils gültigen Zinssatz für S-Versicherungseinlagen am Ende der Gesamtdauer des Vertrages eine unverzinsliche Prämie auf die vertragsgemäß eingezahlten Sparbeiträge. Die Prämie beträgt bei einer Vertragsdauer von 8 bis 9 Jahren - 2%, 10 bis 11 Jahren - 4%, 12 bis 14 Jahren - 10%, 15 bis 19 Jahren - 15%, 20 bis 25 Jahren - 30%.“
Diese Klausel weise – so der BGH – nicht das erforderliche Mindestmaß an Kalkulierbarkeit möglicher Zinsänderungen auf.
Dem BGH-Urteil vom 14. März 2017, Az. XI ZR 508/15, lag folgende Klausel zugrunde:
"Spareinlagen werden zu den von der Bank durch Aushang in den Geschäftsräumen der kontoführenden Stelle bekannt gegebenen Zinssätzen verzinst. Änderungen werden mit der Bekanntgabe wirksam."
Auch diese Klausel wurde beanstandet.
Fehlt es an einer wirksamen vertraglichen Zinsanpassungsklausel liegt eine die planwidrige Regelungslücke vor. Diese ist im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung gemäß §§ 157, 133 BGB zu schließen. Die ergänzende Auslegung wäre in einem gerichtlichen Verfahren als Teil der rechtlichen Würdigung vom Richter durchzuführen.
Hierzu hat der BGH in dieser Entscheidung auch ausgeführt:
„Vom Berufungsgericht werden im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung nach Maßgabe der einschlägigen Senatsrechtsprechung die Parameter einer Zinsanpassung festzustellen sein, die in sachlicher und zeitlicher Hinsicht dem mutmaßlichen Parteiwillen entsprechen (vgl. Senatsurteile vom 13. April 2010 - XI ZR 197/09, BGHZ 185, 166 Rn. 21 ff. und vom 21. Dezember 2010 - XI ZR 52/08, WM 2011, 306 Rn. 21 ff.). In diesem Zusammenhang wird bei der Bestimmung des Referenzzinssatzes zu berücksichtigen sein, dass - worauf die Revision zutreffend hinweist - ein Referenzzinssatz für langfristige Spareinlagen heranzuziehen sein wird. Denn der Sparvertrag hat eine Laufzeit von 25 Jahren. Zwar ist der Kläger nach der Sperrfrist von 24 Monaten zu einer ordentlichen Kündigung des Vertrags mit einer Frist von drei Monaten berechtigt. Dies stellt für ihn aber keine wirtschaftlich vernünftige Handlungsoption dar, da er die volle Prämie von 50% der jährlichen Sparleistungen erst ab dem 15. Jahr bis zum Ende der Vertragslaufzeit erhält (vgl. dazu Senatsurteile vom 13. April 2010 - XI ZR 197/09, BGHZ 185, 166 Rn. 22 und vom 21. Dezember 2010 - XI ZR 52/08, WM 2011, 306 Rn. 22).“
Nach Auffassung der Verbraucherzentrale Sachsen sind – entsprechend der höchstrichterlichen Rechtsprechung – folgende Anpassungskriterien interessengerecht:
Referenzzins:
Bundesbank-Zeitreihe WX 4260 (Umlaufrendite inländischer Schuldverschreibungen und Hypothekenpfandbriefe mit einer Restlaufzeit von 9 bis 10 Jahren), geglättet (gleitender Durchschnitt)
Keine Schwelle:
Eine Anpassung des Zinssatzes darf nicht erst dann erfolgen, wenn ein Schwellwert von beispielsweise 0,5 Prozentpunkten Veränderung erreicht ist.
Monatliche Anpassung:
Zeitliche Verzögerungen, zum Beispiel quartalsweise Anpassungen, sind unzulässig
Relative Anpassung:
Einhaltung des relativen Abstandes zwischen Sparzins und Referenzzinssatz zu Beginn des Sparvertrages. Lag also der variable Zins zu Beginn des Sparvertrages bei 4 Prozent und der Referenzzins bei 5 Prozent, so muss die Sparkasse über die gesamte Laufzeit 80 Prozent des Referenzzinses an den Kunden weitergeben. Sinkt der Referenzzins auf 1 Prozent, bekommt der Sparer somit 0,8 Prozent.
Die meisten Kreditinstitute berufen sich nach Beobachtungen der Verbraucherzentralen nicht auf eine Verjährung der Nachzahlungsansprüche. Gleichwohl ist nicht auszuschließen, dass der Verjährungseinwand kommt.
Grundsätzlich verjähren Ansprüche auf die Nachforderung von Zinsen aus Sparverträgen gemäß § 195 BGB in der regelmäßigen Verjährungsfrist von 3 Jahren. Diese Verjährungsfrist beginnt aber nach § 199 BGB erst "mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist und der Gläubiger von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müsste."
Bei den Sparverträgen werden die aufgelaufenen Zinsen zum Schluss des Kalenderjahres gutgeschrieben, dem Kapital hinzugerechnet und mit diesem vom Beginn des neuen Jahres an verzinst. Der Auszahlungsanspruch auf das Gesamtkapital wird erst fällig, wenn der Vertrag endet. Daher kann nach Ansicht der Verbraucherzentralen die Verjährungsfrist nicht zu laufen beginnen, bevor der Vertrag beendet wurde.
Das würde bedeuten: Der Kunde kann also auch noch bis zu drei Jahre nach Auszahlung des Guthabens aus seinem Sparvertrag eventuelle Zinsnachzahlungsansprüche einfordern.
Der BGH hat sich zur Frage der Verjährung von Neuberechnungsansprüchen bei Sparverträgen mit fehlerhaften Zinsanpassungsklauseln bislang noch nicht geäußert. Die Rechtsfrage ist somit noch nicht abschließend geklärt. Allerdings gibt es nach Ansicht der Verbraucherzentralen einen Anhaltspunkt dafür, dass der BGH die kundenfreundliche Ansicht der Verbraucherzentralen bestätigt (BGH, Urteil vom 20.1.2009, Aktenzeichen XI ZR 487/07):
"Das Kreditverhältnis ist ein Dauerschuldverhältnis, durch das der Kreditnehmer bis zu seiner Beendigung zur Erbringung von Teilzahlungen verpflichtet ist. Der Neuberechnungsanspruch soll dem Kreditnehmer für die gesamte Vertragslaufzeit die notwendige Kenntnis von der Art und Weise seiner Rückzahlungspflicht vermitteln (§ VERBRKRG § 4 Abs. VERBRKRG § 4 Absatz 1 Satz 4 Nr. VERBRKRG § 4 Absatz 1 Nummer 1c VerbrKrG). Der Neuberechnungsanspruch ist danach vom Gesetzgeber als (Dauer-)Nebenpflicht des Kreditgebers konzipiert worden, die bis zur Beendigung des Dauerschuldverhältnisses besteht. Diese Konzeption würde konterkariert, wenn der Anspruch vor Beendigung des Kreditverhältnisses wegen Verjährung nicht mehr durchsetzbar wäre. Daher beginnt die Verjährung des Neuberechnungsanspruchs nicht vor Beendigung des Darlehensverhältnisses zu laufen (vgl. ähnlich zum Verhältnis von Haupt- und Hilfsansprüchen Staudinger/Peters, BGB Neubearb. 2004 § 195 Rdn. 26)."
Sparer, die mit dem Ergebnis Ihrer Sparverträge unzufrieden sind, können sich an die KANZLEI DR. ROHDE wenden.